Urteil vom 09.10.2025 -
BVerwG 2 A 6.25ECLI:DE:BVerwG:2025:091025U2A6.25.0
Leitsatz:
Dem Dienstherrn steht bei der Entlassung eines Beamten auf Widerruf ein weites Ermessen zu. Es wird (lediglich) dadurch eingeschränkt, dass dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen.
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Rechtsquellen
BBG § 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 09.10.2025 - 2 A 6.25 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:091025U2A6.25.0]
Urteil
BVerwG 2 A 6.25
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2025 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dr. Hartung, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schübel-Pfister und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
1 Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf.
2 Der ... geborene, schwerbehinderte Kläger stand seit dem 1. Oktober ... als Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst im Bundesnachrichtendienst (BND). Unter dem 2. Oktober 2019 erhielt er den sog. Sicherheitsbescheid und damit Zugang zu Verschlusssachen. Dieser wurde dem Kläger wegen verschiedener Vorfälle, die aus Sicht des BND Zweifel an seiner Zuverlässigkeit begründeten und nicht ausgeräumt werden konnten, mit Verfügung des Geheimschutzbeauftragten des BND vom 4. März 2022 wieder entzogen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der BND mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2025 zurück. Die sich hiergegen richtende Klage hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag abgewiesen (Urteil vom 9. Oktober 2025 - 2 A 1.25 -).
3 Um dem Kläger gleichwohl einen Abschluss seiner Ausbildung am Zentrum für nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung (ZNAF) zu ermöglichen, verständigten sich der BND und der Kläger nachfolgend auf Modalitäten zur Fortführung des Vorbereitungsdienstes. In diesem Zusammenhang wies der BND den Kläger u. a. darauf hin, dass das Studium mit Ablauf des 30. September 2022 ende und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus abgelehnt werde. Gegenüber dem Prüfungsamt des ZNAF teilte der Kläger unter dem 12. August 2022 mit, eine (neue) Diplomarbeit "unter den neuen Bedingungen" schreiben zu wollen. Die schriftliche Abschlussprüfung bestand der Kläger nicht.
4 Mit Verfügung vom 30. September 2022 entließ der BND den Kläger unter Verweis auf die Entziehung des Sicherheitsbescheids aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf. Den Widerspruch des Klägers wies der BND mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2025 zurück.
5 Der Kläger hat im März 2025 Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, da Zweifel an seiner Zuverlässigkeit nicht berechtigt seien, fehle es an einem sachlichen Grund für seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf.
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Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 30. September 2022 und dessen Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2025 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
8 Sie tritt dem Vorbringen des Klägers entgegen.
9 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Senat vorliegenden Akten des behördlichen Verfahrens verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
II
10 Die zulässige Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zu entscheiden hat, ist unbegründet. Der Bescheid des BND vom 30. September 2022 und dessen Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2025 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es liegt ein sachlicher Grund für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis vor (1.). Die Beklagte hat zudem das ihr eingeräumte Entlassungsermessen fehlerfrei ausgeübt (2.).
11 1. Die Voraussetzungen für eine Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf nach Maßgabe des § 37 Abs. 1 BBG sind erfüllt.
12 Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Die Entlassung ist ohne Einhaltung einer Frist möglich (§ 37 Abs. 1 Satz 2 BBG). Diese Regelung, welche die Entlassung des Beamten auf Widerruf in das Ermessen des Dienstherrn stellt ("können"), findet ihre sachliche Rechtfertigung darin, dass das Beamtenverhältnis auf Widerruf ein Bewährungsdienstverhältnis mit dem Zweck ist, dem Dienstherrn ein Urteil darüber zu ermöglichen, ob der Beamte sich nach seiner Persönlichkeit, seiner Befähigung und seiner Leistung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit eignet (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 1959 - 6 C 70.58 - BVerwGE 10, 75 <78> und vom 10. März 1960 - 2 C 51.56 - BVerwGE 10, 213 <215>). Jeder sachliche Grund rechtfertigt die Entlassung (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 1959 - 6 C 70.58 - BVerwGE 10, 75 <78 f.>, vom 9. Juni 1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267 <268 f.> und vom 17. September 1981 - 2 C 4.79 - Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 29 S. 8; Beschlüsse vom 3. Juni 2004 - 2 B 52.03 - Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 6 und vom 4. Juli 2022 - 2 B 5.22 - Buchholz 232.01 § 23 BeamtStG Nr. 4 Rn. 9). Dabei genügen bereits berechtigte bzw. begründete Zweifel des Dienstherrn daran, dass der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung für sein Amt besitzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267 <268 f.>; Beschluss vom 4. Juli 2022 - 2 B 5.22 - Buchholz 232.01 § 23 BeamtStG Nr. 4 Rn. 9). Zur Eignung zählt auch die sicherheitsrechtliche Eignung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 2 A 2.16 - Buchholz 402.8 § 5 SÜG Nr. 31 Rn. 12; Beschlüsse vom 21. Juli 2011 - 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 27, vom 17. September 2015 - 2 A 9.14 - BVerwGE 153, 36 Rn. 10 und vom 2. Mai 2024 - 2 A 2.23 - NVwZ-RR 2024, 736 Rn. 17).
13 Ausgehend hiervon lag ein sachlicher Grund für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf vor, weil ihm die für die Ausübung seiner Tätigkeit beim BND erforderliche sicherheitsrechtliche Eignung fehlt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil vom heutigen Tag im Verfahren - 2 A 1.25 - Bezug und legt es seiner Entscheidung zugrunde.
14 2. Das der Behörde nach § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG zustehende Entlassungsermessen hat der BND rechtsfehlerfrei unter Berücksichtigung der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG ausgeübt.
15 Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 BBG soll Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Die Regelung beinhaltet eine Einschränkung des dem Dienstherrn in § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG eingeräumten weiten Entlassungsermessens. Die Entlassung ist nur aus Gründen statthaft, die mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang stehen. Bestehen aber ernsthafte Zweifel daran, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, erreichen kann, so kann er auch aus dem Vorbereitungsdienst entlassen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267 <269> und vom 17. September 1981 - 2 C 4.79 - Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 29 S. 8; Beschluss vom 26. Januar 2010 - 2 B 47.09 - juris Rn. 6). Maßgebend ist, dass der Zweck des zeitlich befristeten Dienstverhältnisses auf unabsehbare Zeit nicht erreicht werden kann. Das Beamtenverhältnis auf Widerruf dient der Ausbildung und nicht der Unterhaltssicherung. Widerrufsbeamte können nicht verlangen, auf unabsehbare Zeit im Vorbereitungsdienst zu bleiben und Unterhaltsleistungen zu erhalten, obwohl sie das Ausbildungsziel nicht erreichen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 2010 - 2 B 47.09 - juris Rn. 6). Eine Entlassung kann folglich gerechtfertigt sein, wenn - wie hier - begründete Zweifel an der (sicherheitsrechtlichen) Eignung des Beamten auf Widerruf im Hinblick auf die angestrebte Beamtenlaufbahn bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1981 - 2 C 48.78 - BVerwGE 62, 267 <269>).
16 Dies zugrunde gelegt lässt die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger trotz der fehlenden sicherheitsrechtlichen Eignung die Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes unter Wahrung sicherheitlicher Vorgaben zu gestatten, ihm die Möglichkeit der (einmaligen) Teilnahme an der schriftlichen Abschlussprüfung einzuräumen und als Ende des Vorbereitungsdienstes den 30. September 2022 zu bestimmen, Ermessensfehler nicht erkennen. Mit dieser Vorgehensweise hat sich der Kläger überdies u. a. gegenüber dem Prüfungsamt des ZNAF einverstanden erklärt.
17 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.